Ralf Cuber

Sachverständiger für Medien- und Veranstaltungstechnik

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Wie laut ist eigentlich LAUT?

Ein (kleiner) Bericht über die gesetzlichen Rahmenbedingungen von Veranstaltungsgeräuschen und anderen Lärmbelastungen…

Liebe Leser,

immer geht es um die Fragen: was ist laut oder leise, was ist ZU laut (nur sehr sehr selten: was ist ZU leise).
Sie werden mir zustimmen, dass Ihre erste Beurteilung oder Einschätzung einer solchen Frage sicherlich subjektiv geprägt wäre – also in Abhängigkeit des Hörverhaltens und der Situaition eines jeden individuellen Menschen steht. Damit sind Sie tendenziell in guter Gesellschaft, so antworten die meisten.
Heute soll es aber darum gehen, welche Vorschriften welche Lärmgrenzen vorgeben und wie man – uanbhängig von subjektiven Aussagen – zu einer Einschätzung oder zur Feststellung der „Lautheit“ kommen kann.

Zunächst einmal gibt es das Thema „Lärm am Arbeitsplatz“, das der Gesetzgeber im Rahmen von Unfallverhütungsvorschriften breit besetzt hat. Auch das gezeigte Gebotsschild, das zum Tragen von Gehörschutz auffordert, ist ein aus der Arbeitswelt bekanntes Piktogramm. Diesen thematischen Bereich der Lärmregulierung lassen wir heute gezielt aus!

Dann gibt es einen Beurteilungskomplex für Veranstaltungen zum Schutz der Besucher; es geht darum, dass niemand zu großen Schallpegeln ausgesetzt wird – so dass keine körperlichen Schäden entstehen können. Eine Zusammenfassung zum Themenbereich der DIN 1905 Teil 5 finden Sie in einem Artikel, den Sie später an gleicher Stelle lesen können.

Widmen wir uns eher den Lebensbereichen, in denen man sich einer Lärmbelastung kaum entziehen kann: das Zuhause! Sofern ein jeder von uns unschöne, laute Geräusche wahrnimmt, fühlt er sich „gestört“. Das Maß der Gestörtheit empfindet jeder sicherlich anders. Der Speedmetal-Fan wird sich beim Zwangskonsum einer lauten Volksmusik-Kapelle vor den eigenen Türen mehr gestört fühlen als bei seiner Lieblingsmusik. Und der frühaufstehende Bäcker wird die Nachruhenstörung durch die pöbelnden und angetrunkenen Gäste der Kneipe an der Ecke anders gewichten als der Nachbar, der erst nachts um eins nach Haus kommt und noch hellwach ist.

Wer ist jetzt im Recht, ein Unterlassen der Lärmstörungen zu fordern?
Ab wann sind Geräusche denn „Lärm“ und werden störend?

 

Der Gesetzgeber hat sich eine Menge einfallen lassen, um diese Lärmstörungen zu quantifizieren. Und das ist auch mächtig kompliziert, sowohl was die Regeln, als auch das Messen von Lärm angeht. Es gibt das Bundesimmissionsschutzgesetz (und auch entsprechende Landesgesetze). Darin ist auch von Lärm die Rede, denn auch Lärm gilt als Immission (also „etwas“, das als Störfaktor auf den Menschen einwirkt). Und wo es Immissionen gibt, muss auch eine Emission (also die Aussendung / das Entsenden dieser Störfaktoren) sein (siehe Grafik Emissionsort – Ausbreitungsweg – Immissionsort)

Da es in der Festlegung um schädliche Immissionen geht, wird klar: es ist nicht wichtig, wie laut das Geräusch an der Quelle ist, sondern beim „Gestörten“ – also am Immissionsort ankommt. Man kann zusammenfassen: der Immissionsort ist i.d.R. eine Wohnung innerhalb einer festen Bebauung, der in Frage kommende Messort ist das der Lärmquelle am meisten zugewandte Fenster; gemessen wird typisch 0,5 Meter vor dem geöffneten Fenster!

ALSO GILT: der Emittent – also die für die Lärmentstehung verantwortliche Person – kann im Moment der Lärmausscheidung nicht direkt beurteilen, welcher Pegel zu laut ist! Dazu sind Messungen, Planungen und Berechnungen nötig. Im Vorfeld von geplanten Lärmstörungen (z.B. Musikveranstaltungen) ist es Aufgabe des Veranstalters, solche Betrachtungen durchzuführen und ggf. Instrumente zur Überwachung oder auch zur Reduzierung von Pegeln zu installieren.

Aber es ist noch deutlich vertrackter: der Gesetzgeber unterscheidet in der wichtigsten Verordnung zur Beurteilung von Lärm (TA Lärm – technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) noch Faktoren wie Wochtentag, Uhrzeit, besondere Eigenschaften von Geräuschen, Durchschnitts- und Spitzenpegel und auch den Ort der betroffenen Wohnung.
Außerdem gibt er die Meßverfahren und auch die zu verwendenden Meßgeräte vor!

Es reicht also NICHT, mit einer Handy-App mal eben den Momentschall zu „schätzen“. Diese Meßversuche sind die Zeit nicht wert, sich damit überhaupt zu beschäftigen. Das gilt inbesondere als Ansage für alle Personen, die sich als Lärmopfer „gestört“ fühlen. Bei einer berechtigten Störung ist der erste Weg (falls nicht direkt zum Verursacher) zum Ordnungsamt; dort wird man die Emissionsquelle feststellen und – bei berechtigtem Interesse – auch eine Feststellung des Störungspegels vornehmen (lassen). Auch das Abstellen der Störung kann das Amt veranlassen, wenn gewollt. Ein weiteres Amt, das auch kompetent dienlich sein kann, ist das Umweltamt. Der berühmte Anruf bei der Polizei, um eine Ruhestörung zu melden, löst in der Regel keine rechtssicheren Folgen in Sachen Lärmschutz aus. Die Beamten agieren im vermeintlich berechtigten Fall, ohne konkrete Pegelmessungen vorzunehmen. Deren Eingreifen leitet sich dann eher aus einer „Sicherung der öffentlichen Ordnung“ ab. Für die laute Party von Nebenan kann aber auch das nicht rechtssichere Eingreifen (wegen fehlender objektiver Pegelmessung für den Beleg der Lärmstörung) ein baldiges Aus bedeuten, wenn man den ausgesprochenen Hinweisen der Beamten zur Lärmbegrenzung nicht oder nicht ausreichend nachkommt. Und dieses Ende kommt schneller als ein mögliches Schreiben vom Ordnungsamt!

Doch zurück zur Ausgangsfrage: was ist denn jetzt im Sinne des Gesetzgebers „zu laut“? Das ist einfach zu beantworten: im Zweifel ALLES! Als Lärm zählt jedes Geräusch – ob die Partymusik von nebenan, das Vogelgezwitscher aus dem Nest oder das Fröschequaken im Teich, die naheliegende Autobahn oder der Flughafen. Wichtig ist nur für eine Rechtsfolge, dass es auch einen persönlichen Erzeuger für die Geräusche gibt oder jemanden, der persönlich für das Enstehen oder Fortbestehen der Geräusche verantwortlich ist. Bei Musik aus dem Kofferradio ist es der direkte Besitzer, bei Verkehrslärm der Stadtplaner, beim Hundegebell der Hundehalter. Bei den freilebenden Vögeln und Fröschen wird es immer wieder kompliziert, wie man sich denken kann. Aber auch wenn niemand persönlich die Frösche zum Quaken aufgefordert hat oder für deren Wahlheimat verantwortlich ist, sind schon Tierbestände wegen des Lärmschutzes umgesiedelt worden. Wie bekannt ist, scheidet Lärm durch Kinder in vielen Fällen kategorisch aus – die Rechtssprechung setzt hier zum Wohle der Kinderentwicklung an und vernachlässigt den Schutz Anderer. Natürlicher Windlärm ist ein gutes Bespiel für das Fehlen eines Urhebers oder Verantwortlichen… im Gegensatz zu Windkraftanlagen.

Natürlich wollen wir hier den Veranstaltungslärm nicht zu kurz kommen lassen. Dieser ist doch meist planbar und stellt niemand vor sonderliche Überraschungen. Große und laute Veranstaltungen werden oft weitab von bewohntem Raum durchgeführt, um jeglichen Problemen aus dem Weg zu gehen. Denn schaut man sich die geltenden Lärmschutzvorschriften für einen Sonntagabend im reinen Wohngebiet an, wird rasch deutlich, dass schon das Drehen eines klappernden Glücksrads beim Kirchenfest dauerhaft zu laut bei der benachbarten Küsterwohnung ankommt, und die Darbietung der ambitionierten (elektrisch verstärkten) Kirchenband beim Jugendgottestdienst bei Einhaltung aller Vorschriften durch ein Blasen auf dem Kamm ersetzt werden müsste. Hier müssen Lösungen gefunden werden, die über die üblichen Regularien hinaus gehen.

Gerade die Frage, in welcher (baulichen) Umgebung man eine Veranstaltung durchführen möchte, entscheidet oft über Möglichkeit oder Unmöglichkeit in Sachen Lärmschutz, denn einzuhaltende Lärmpegel haben diesbezüglich eine große Varianz. Abhilfe bei der Planung schafft da ggf. ein Antrag auf Ausnahmegenehmigung für z.B. das Benutzen von Tongeräten (was generell in der Öffentlichkeit als Lärmquelle verboten ist) oder das Stören der Nachtruhe (in der die geringesten Immissionswerte gelten). Solche Genehmigungen werden von Ordnungs- oder Umweltämtern erteilt – aber auch nur im berechtigen Fall. Für eine einzelne, kommerzielle Verkaufsveranstaltung eines Unternehmers wird kaum eine Störung der Nachtruhe gedultet; möchte der lokale Sportverein auf seinem Gelände ein Sommerfest durchführen, wird die Behörde das öffentliche Interesse eher höher bewerten und einer Genehmigung nachkommen. Sie vergibt dann u.U. von den generell geltenden Verordnungen abweichende Obergrenzen für Lärmpegel. Solche Ausnahmegenehmigungen sind auch die beste Garantie, sich bei Veranstaltungen vor potentiell mißgünstigen Nachbarn mit deren nachdrücklichen und wiederholten Beschwerden bei Polizei zu schützen. Aber auch mit einer Ausnahmegenehmigung ist man verpflichtet, das Einhalten der gesetzten Pegelgrenzen zu überwachen.

Was aber tut man, wenn man in einem Meinungsstreit über Belästigungen durch Lärm steckt? Sowohl der Verursacher (z.B. der Veranstalter einer Konzertreihe), als auch der „gestörte“ Anwohner diskutieren miteinander oder bereits mit dem Amt über eingehaltene oder nicht eingehaltene Pegel. Eine objektive Betrachtung scheint – in der Praxis typsisch – nicht möglich. Es gibt dann eine mögliche Beweisführung durch den Verursacher (Emittent) oder durch den Belästigten oder durch das zuständige Amt. Alle Varianten sind denkbar. Typischerweise werden die beiden Streitenden eine solche Beweisführung nicht selbst, sondern nur durch sachkundige Dritte führen.
Die Erfahrung zeigt: wer hier als Erster seinen Beschreibungen und Überzeugungen Nachddruck durch ein bestätigendes Gutachten machen kann, gewinnt die staatliche Stelle für sich und einen rechtlichen Vorteil. Selbst im Fall, den Streit damit nicht abgewendet zu haben, gewinnt man aber Zeit, und die kann für zahlmäßig begrenzte Ereignisse schon das Ziel sein.

Als Faustregeln bei Problemen gelten:
Der verantwortliche Emittent tut gut daran, sein Vorhaben (z.B. eine öffentliche oder private Veranstaltung) bei der Planung unter dem Lärmschutzaspekt zu betrachten. Solche Untersuchungen können schnelle und überschlägige Schätzungen oder aber auch konkrete Messungen an vielen Punkten möglicher Immissionsorte sein mit anschließendem Lärmschutzgutachten. Simulationen und Projektionen können heute brauchbare Prognosen abgeben. Vom Ergebnis dieser Untersuchungen ist abhängig, wie weiter verfahren wird. Bei lautstärkerelevanten Ereignissen kann durch Messung während der Durchführung kontrolliert werden, ob die Prognosen zutreffen oder – schlimmstenfalls – die Aktion abgebrochen werden muss.
Der betroffene Anwohner tut gut daran, beim ersten Eindruck einer nennenswerten oder dauerhaften Belästigung eine kleine Dokumentation zu erstellen (z.B. Handprotokoll über die Störung – Uhrzeit und Art, oder auch eine Handy-Aufzeichnung), bevor er sich zwecks Unterlassung der Störung an die oben genannten Stellen wendet. Erfährt sein Wunsch dort keine Zustimmung, die Lärmstörung im Sinne der Vorschriften liegt aber tatsächlich vor, wird er sein Ersuchen am leichtesten durch objektive Aussagen zur Tat manifestieren können. Er muss also durch belastbare Messungen nachweisen, dass die Vorschriften übertreten wurden. Das ist natürlich fast unmöglich, wenn es sich um zeitlich begrenzte Ereignisse (z.B. ein einzelnes Abendevent) handelt. Hier bleibt nur die Möglichkeit, die entsprechenden amtlichen Stellen durch mehrfache Hinweise zu sensibilisieren. Gibt es aber regelmäßige Ereignisse (z.B. angekündigte Veranstaltungen), so kann eine Untersuchung oder Messung anberaumt werden, wenn der Verdacht erneuter Übertretungen besteht. Hat die ganze Angelegenheit eine hohe Wichtigkeit, wird ein rechtssicheres Gutachten erstellt; ggf. werden mehrere Ereignisse überwacht. Schlimmstenfalls kann so eine Unterlassungsklage objektiv untermauert werden.

Aber: eine tatsächliche Abschätzung, ob Laut wirklich zu laut ist, ist denkbar schwierig. Selbst für eine sachgerecht erzielte Aussage müssen Messungen, Nachforschungen und Berechnungen erfolgen. Aber dennoch: im Zweifelsfall ist diese Arbeit unvermeidbar. Auch die für solche Einschätzungen erforderlichen Kosten sind im Vergleich zu einem gerichtsfesten Gutachten, das nicht zum gewünschten oder erwartenten Ergebnis kommt, vertretbar.

Die Grafik „Jetzt ist Ruhe auf der INSEL“ bietet noch ein Beispiel für eine Reaktion auf die Bestimmungen der Ordnungsbehörden, die oft bei Beteiligten für unterschiedliche Ansichten sorgen.

Danke für Ihre Zeit der Lektüre. Und immer dran denken: nicht so laut machen!

 

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